Über das Eintreiben von Schutzfisch
Ich schlendere neulich den Strand Richtung Spot entlang, als mir eine ältere Frau schnellen Schrittes entgegenkommt. Ein freundliches „Moin“ geht mir natürlich sofort über die Lippen, wohingegen die gute Dame sagt: „Achtung! Passen sie bloß auf die Möwe auf!“
„Äh, ja“, denke ich mir so, „was war denn mit der los?“

Illustration Frank Carstensen
Kurze Zeit später, am Platz angekommen, dauert es keine Minute und ein weißer Kopf lugt hinter einem Stein hervor. Ein Augenpaar fixiert meine Watjacke, die ich auf einen Stein gelegt hatte. Und dann geht es auch schon los: Die Terror-Möwe von Falshöft ist gelandet.
Ich bin buchstäblich am Strand aufgewachsen. Als Sylter Inselkind gehören die Möwen (unter Insulaner auch liebevoll "Promenadengeier" genannt) zum Alltag. Alles Mögliche ist mir da schon passiert, aber eine Ausgabe wie dieses Exemplar ist mir so auch noch nicht über den Weg gelaufen.
Diese Möwe ist der Donald Trump unter dem Meeresgefieder: zanksüchtig, rücksichtslos und immer auf Krawall gebürstet. Zuerst wartet sie, bis ich im Wasser stehe, dann tapst sie bis auf wenige Zentimeter heran und bleibt seelenruhig stehen. Aufscheuchen? Groß machen? “Kschhhhschhschchhshschhhsh” rufen und mit den Armen rudern? Sie sieht mich strafend mit einem arroganten Ausdruck an und beginnt, an der Jacke zu zwicken. Gezielter Terror - und ich begreife schnell. Es geht hier um mehr. Es geht um das Eintreiben von... Schutzfisch.
„Dieser Spot, mein Freund, gehört mir”, will die Möwe sagen. „Fisch her!”

Die inoffizielle Strandwährung
Diesem Viech Tribut zahlen? Das sehe ich nicht ein. Es beginnt ein Tanz der besonderen Art. Immer wieder fobbt mich die Möwe. Zu Fuß, aus der Luft, mal kommt sie von der Seite, mal von oben. Immer dann, wenn man denkt: „Danke, Arsch, das war´s” und sich wieder dem Fischen widmet, setzt sie mit neuen Schikanen fort. Offenbar ist das Tier gewohnt, gefüttert zu werden oder etwas abzustauben, wenn man aufgibt und geht. Es folgt der unentspannteste Fischgang des Jahres.

Die Terror-Möwe von Falshöft
Herzlichen Dank, liebe Möwe! Ich war immer fair zu dir, habe dir gerne die Fischinnereien am Strand hinterlassen. Diesmal gibt es nichts.