Push that reel!
Schon mal einen Fliegenfischer hektisch auf die Rolle schlagen gesehen? Was nach einem Wutanfall klingt ist eine sehr effektive Technik, um lose Schnur sehr schnell auf die Rolle zu bekommen. Manchmal ist das von Nöten.
Es gibt zwei Möglichkeiten, einen Fisch zu drillen. Über die Rolle oder über die Hand. Letzteres ist beim Meerforellenfischen vollkommen ausreichend und macht sowieso den meisten Spaß. Aber gelegentlich ist es hilfreich, im Drill lose Schnur auf die Rolle zu nehmen. Und das nicht um den Klicker am Fisch zu hören, sondern der lieben Kontrolle wegen.

Typisch Herbst
Das Problem-Szenario
Gerade wenn im Herbst die Stürme zunehmen, fische ich gerne in maximaler Welle. Eine Situation wie auf dem Foto suche ich regelrecht. Oftmals ist es ein guter Platz für große Meerforellen. Leider ist es auch genau der Ort, an dem es ungemütlich wird. Hohe Wellen, Steine, Blasentang, Seegras und Kraut aller Art machen das Fischen schwierig. Entspanntes Angeln sieht anders aus. Richtig brenzlig wird es aber, wenn in dieser Situation eine Mefo einsteigt. Da liegt der Blick nicht immer auf den heranrollenden Wellen. Wenn sie einen jetzt ungünstig erwischen, hauen sie einen nicht nur fast um, sie ziehen einem garantiert die eingestrippte Schnur aus dem Schnurkorb. Es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Schnur irgendwie verheddert. Jetzt heißt es, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Murphy’s Law: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“
Die Urfassung lautete: „Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonstwie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen.“
Es gibt nun drei Möglichkeiten, den Schnurverlust zu handlen...:
Ich lasse es geschehen und riskiere ein Verheddern der Schnur im Spülsaum. Im schlimmsten Fall kann ich eine größere Flucht nicht bedienen. Der Traumfisch ist dann Geschichte. Alles in allem die wohl schlechteste Variante.
Ich kurbele die lose Schnur schnellstmöglich auf die Rolle. Das dauert aber selbst mit einer Large-Arbor-Spule sehr lange und verlangt Multitasking im Drill.
Ich schlage die Schnur auf die Rolle. Ist so eine brachiale "Quick-and-Dirty"-Methode. Wesentlich schneller als Kurbeln und auch mit kalten Fingern gut machbar.
Die "Quick-and-Dirty"-Methode Die in den Spülsaum gezogene Schnur auf die Rolle zu pushen ist ziemlich einfach. Ich klemme dafür die Schnur mit dem Zeigefinger der Rutenhand an den Griff, um den Druck auf den Fisch immer aufrecht halten zu können. Mit der freien, flachen Schnurhand schlage oder reiße ich seitlich mit kurzen und schnellen Zügen den Rand der Spule Richtung Körper. Die Spule nimmt dabei ordentlich an Fahrt auf. In kürzester Zeit fliegt die lose Schnur nur so auf die Rolle. Die Gefahr des Verhedderns ist so schnell beseitigt. Der Drill kann weitergehen und ist um eine brenzlige Situation ärmer.
Diese Technik habe ich mir vor einigen Jahren von Hywel Morgan abgeschaut, der genau so auf einer Casting-Show seine Schnurlänge während der Demo anpasste. Ihm war das Kurbeln beim Einholen zu langsam. Ich habe diesen Move für meine Küstenfischerei einfach adaptiert.

Illustration Frank Carstensen
Es gibt aber ein paar Punkte, die zu beachten sind: Die Rolle: Nicht alle Rollen sind dafür geeignet. Einige Rollen haben eine "festere" Spule, die sich nicht lange frei dreht, während andere Rollen "lockerere" Systeme haben und mehrere Umdrehungen pro Schlag laufen. Meine Abel-Rollen machen das Spielchen mühelos mit, die Loop-OPTi-Rollen leider nicht. Schnurhandling: Bevor ich starte, schaue ich mir die lose Schnur im Wasser an, um sicherzustellen, dass sie nicht verheddert ist oder zwischen Blasentang und Steinen festhängt. Eine Schnur, um die sich schon kleine Krautfetzen gewickelt haben, hole ich ungerne so ein, da ich das Zeug bei der Geschwindigkeit mit auf die Rolle ziehen würde.
Achtung Drill: Trotz des ganzen Gehassels nie den Fokus auf den Drill verlieren. Immer ordentlich Druck auf den Fisch ausüben. Bei einer spontanen Flucht den Zeigefinger der Rutenhand lösen und die Schnur mit der Schnurhand packen und sichern. Das gilt im Grunde für alle im Drill notwendigen Anpassungen. Die Meerforelle hält nicht still.
Zuviel ist zuviel: Je mehr lose Schnur in den Spülsaum gezogen wurde, umso schwieriger wird das ganze Manöver. Liegt zuviel Leine im Wasser, ist das Einholen über die Kurbel die sicherere und ordentlichere Methode. Manchmal verwende ich eine Kombination beider Techniken.

Der Kampf mit den Wellen hat sich diesmal gelohnt. Fette 60plus!
So manche kritische Situation konnte ich so schon entschärfen. Gerade bei rauer See an der offenen Küste ist das ein nützlicher Trick, um letztendlich als Gewinner aus dem Zweikampf hervorzugehen. Und das wollen wir schließlich alle!