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Gotland. Vom Grau inspiriert.

Mal ehrlich - es wäre einfacher zu Hause zu bleiben. Die gewohnten Spots aufzusuchen und woanders einfach woanders sein zu lassen. Die Sandbank vor der Haustür als Grenze zum Horizont zu akzeptieren. Es gibt diese Menschen, die Nicht-Entdecker, Nicht-Ausprobierer, Nicht-Weitergeher. Aber diese Menschen haben auch keine neuen Geschichten. Woher auch?

Gotlands Schönheit ist brutal. Sie ist trocken, karg, unfruchtbar, öde und endlos, grotesk, gepeitscht, abggetragen und staubig; sie changiert zwischen Grau, Graugrün und Beige. Die Küste, das trübe Licht und vor allem das allseits präsente Grau ziehen nicht nur Maler & Designer an, sondern auch die Meerforelle.

Die für uns Meerforellenfischer sehr interessante, mehrere hundert Kilometer lange Küste im Nordteil der Insel ist traumhaft. Wie in dystopischen Science-Fiction-Filmen ragen dort Raukar aus dem Boden, hohe, bizarre Kalksteinsäulen, entstanden durch Erosion vor einer langen Vergangenheit. Die Landschaft wird an diesen Stellen surreal, wie eine Mondlandschaft im Nirgendwo. Aber manchmal ist Nirgendwo genau der Ort, den man sucht.

Wo die Welle bricht, wird es tief

Im Grunde ist der gesamte Norden ein einziges großes Kalksteinplateau. Die daraus resultierende Küstenlinie bedeutet für uns, dass der Bereich zum Waten ein sehr gleichmäßiges Niveau hat, welches vereinzelnd stufenartig tiefer wird, bis es schließlich abrupt abreist und in die Tiefe fällt. Zwischen 0,5 und 14 Metern kann es dort runtergehen.

Gotlandforelle aus einem Crack

Die Meerforellen kommen aus den tiefen Bereichen hoch, um auf den mit Pflanzen bewachsenen Plateaus zu jagen. Auf dem meist hellgrün, mit rutschigen Zweigfadenalgen bewachsenen Flächen finden sich mit Säge- und Blasentang bewachsene dunklere Zonen. In diesen Gebieten halten sich die meisten Nährtiere auf. Daher sind diese gut zu erkennenden dunklen Bereiche die erste Wahl, um die Fliege zu präsentieren. Wenn erreichbar, lohnt es sich auch, die tief abfallende Kante abzufischen. Die Meerforellen ziehen an dieser Kante manchmal sichtbar entlang.

Cracks im Kalkplateau, ca. 200 m vom Ufer entfernt

Vorgelagerte Tangfelder

Eine besondere Aufmerksamkeit sollte man den mehrere Meter breiten Spalten, den "Cracks" am Rande der Abbruchkante widmen. In diesen Spalten stehen die Fische gerne etwas länger. Bei starkem Seegang geht das natürlich nicht, das wäre viel zu gefährlich. Aber wenn die Wetterlage passt, gehört das auf Gotland zum Pflichtprogramm. Nasse Ärmel sind natürlich inklusive!

Bucht mit großen Steinen

Vereinzelt finden sich auch Buchten mit großen Steinen. Diese Spots sind schwedentypisch sehr schwer zu bewaten. Trotzs meiner 1,91 m Körpergröße, sportlicher Fitness und viel Erfahrung im Herumturnen zwischen solchen Trümmern, würde ich hier nie auf einen Watstock verzichten. Dafür sind die Steine und die Löcher dazwischen einfach zu groß.

Impressionen zwischen den Spots

Die Insel ist groß und die Küste wirkt schier unendlich. Ein Spotwechsel kann ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Aber das Land dazwischen - mit den Schafen, den Pferden, den alten Fischerhütten, Kirchen & den Gräberfeldern aus der Bronzezeit - entschädigt allemal.

Auf der Jagd nach Bindematerial in der Trendfarbe Grau

Apropos Spotwechsel! Nicht notwendig aber sehr hilfreich ist ein Auto, das auch abseits der Straße fahren kann. Der Norden der Insel war vielerorts Speergebiet der schwedischen Armee. Die wiederum hatten direkt an der Küste ihr Übungsgebiet. Diese Gebiete mussten also nie anders sein als wüst. Jetzt ist die Armee weg und deren Zonen freigegeben. Dieses Terrain ist streckenweise anspruchsvoll. Ohne 4x4 wird man da nicht glücklich. Als Belohnung kommt man aber an schöne, abgelegene, menschenleere Buchten heran.

Offroad auf Gotland

Obwohl Gotland die größte Insel Schwedens ist, denken die Bewohner nicht daran, sich als Schweden zu bezeichnen. Schweden sind die, die auf dem Festland wohnen - auf Gotland leben Gotländer. Als gebürtiger Insulaner kann ich das gut nachvollziehen. Und so eigen wie die Leute, ist die Insel und ihrer Meerforellen-Fischerei. 2017 war mein zweiter Besuch auf der Insel und es war wieder ein besonderes Erlebnis. Die Fischerei in diesem Szenario ist so anders, als an den gewohnten Küsten von DE, DK & SE.

Eins steht fest - ich komme nächstes Jahr wieder. Und ich freue mich jetzt schon auf Land, Leute und das Meer, das immer so aussieht wie der Himmel über ihm. Mal grau, mal blau, mal schwarz.

See You Next Year - Gotland



Einen weiteren Bericht über Gotland findest du hier: Take the long way - Gotland


#Fliegenfischen #Meerforelle #Ostsee #Gotland

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